So funktioniert Kleinwindkraft

So funktioniert Kleinwindkraft

Für Gewerbebetriebe und private Haushalte stellt die Kleinwindkraft speziell in Kombination mit Photovoltaikanlagen aufgrund saisonaler Effekte (Winter/Sommer) eine interessante Möglichkeit zu Erhöhung der Energieautonomie dar. Aufgrund der höheren Komplexität und starken Unterschieden beim Windpotential, ist die Kleinwindkraft jedoch noch wenig verbreitet. Dieser Umstand erschwert auch das Aufbauen eines Markts und einer einheitlichen Genehmigungsstruktur. Dennoch gibt es Hersteller*innen, welche den Markt in Österreich bedienen und es stehen mittlerweile rd. 430 Anlagen (Stand 2022) in Österreich. Um zukünftig einen Markt für die Kleinwindkraft etablieren zu können, bedarf es einer einheitlichen Genehmigungsstruktur und seriösen Angeboten für Standortbewertungen (Windmessung). Im Energieforschungspark Lichtenegg werden zusätzlich Anlagen auf deren Qualität für den österreichischen Markt getestet.

Laut IEC 61400-12-1 Anhang H werden Windkraftanlagen als Kleinwindenergieanlagen (KWEA) bezeichnet, wenn die vom Rotor überstrichene Fläche kleiner als 200 m² (ca. 16 m Rotordurchmesser) ist und die Spannung unter 1.000 V (bei Wechselspannung) bzw. 1.500 V (bei Gleichspannung) liegt. Dazu zählen in der Regel alle Windkraftanlagen mit einer Generatorleistung kleiner 50 kW. Des Weiteren kann in folgende Unterkategorien unterschieden werden:

  • Kategorie 1: Mikrowindkraft bis 2 m² (< 0,5 kW) – Rotordurchmesser ca. 1,5 m
  • Kategorie 2: Kleinwindkraft bis 60 m² (< 15 kW) – Rotordurchmesser ca. 8 m
  • Kategorie 3: Kleinwindkraft bis 200 m² (< 50 kW) – Rotordurchmesser ca. 16 m
Grundsätzlich unterscheidet man bei KWEA zwischen Anlagen mit vertikaler Drehachse (Vertikalläufer, kurz VAWT) und Anlagen mit horizontaler Drehachse (Horizontalläufer, kurz HAWT). Nicht nur im Bereich der Großwindkraft, sondern auch im Bereich der Kleinwindkraft sind Anlagen mit horizontaler Drehachse die dominierende Bauform. Bei Horizontalläufern handelt es sich in der Regel immer um Auftriebsläufer, bei Vertikalläufern unterscheidet man zwischen Auftriebsläufer und Widerstandsläufer. Auftriebsläufer nutzen dabei den aerodynamischen Auftrieb, Widerstandsläufer arbeiten hingegen nach dem Widerstandprinzip. Vertikalläufer haben den Vorteil, dass sie windrichtungsunabhängig funktionieren, sprich den Wind unabhängig von seiner Richtung direkt nutzen können. Horizontalläufer müssen dagegen entweder mittels einer Nachführautomatik oder einer Windfahne gezielt nachgeführt werden.

Der Markt der Kleinwindkraft kann in Österreich und weltweit als Nischenmarkt bezeichnet werden, der jedoch in bestimmten Lagen durchaus Potential zum Wachstum hat. Ein Paradebeispiel ist Dänemark, wo in den 1980iger Jahren durch Investitionsförderungen einige Anlagen im Privatbetrieb gebracht wurden.

Österreich
In Österreich ist die Kleinwindkraft mit derzeit rd. 430 Anlagen (Stand 2022) verhältnismäßig gering vertreten. Ein Grund dafür sind die noch hohen Kosten, die komplexe Genehmigung und vor allem das ungleich verteilte Windpotential. Nach einem leichten Aufschwung ab dem Jahr 2010 bis 2015 konnten erste Standorte erschlossen werden, jedoch hat die fehlende Wirtschaftlichkeit zu einer Dämpfung des Markts geführt. Seit der Energiekrise im Jahr 2022 ist die Nachfrage nach Energieautonomie zum Teil größer als der Wunsch nach einem wirtschaftlichen Betrieb geworden. Dieser Umstand zeigt, dass ein Markt möglich ist, jedoch fehlt eine Investitionsförderung im Leistungsbereich unter 20 kW und eine vereinfachte einheitliche Genehmigung, sowie unabhängige Beratungsstellen.

In den Leistungsklassen unter 1 kW sind 188 Anlagen und zwischen 1 kW und 10 kW 223 Anlagen installiert. Über 10 kW sind mit 18 Anlagen die wenigsten Kleinwindkraftanlagen installiert. Bezogen auf die installierte Leistung sind 290 kW in Österreich installiert, davon fällt der Großteil wieder auf die Leistungsklasse zwischen 1 kW und 10 kW.

International
Global gesehen sind die Länder mit der höchsten installierten Leistung China und Dänemark mit über 600 MW installierter Leistung. Speziell in Dänemark haben Fördermodelle und vor allem das gute Windpotential dazu geführt, dass viele Anlagen in ländlichen Gebieten installiert wurden. Darauf folgen die Länder USA und Großbritannien mit jeweils rund 150 MW installierter Leistung. Insgesamt sind bei den betrachteten Ländern weltweit 1,8 GW Leistung in Form von Kleinwindkraftanlagen installiert.

Ein guter Windstandort zeichnet sich durch eine hohe mittlere Windgeschwindigkeit aus. Die Jahresmittelwindgeschwindigkeit, definiert als arithmetischer Mittelwert der Windmesswerte eines Jahres ist der ausschlaggebende Faktor für die Standortwahl. Anhand von Erfahrungswerten an urbanen und ländlichen Standorten ist aus energetischer Sicht (Ertrag übersteigt für Herstellung eingesetzte Energie) eine Installation von einer KWEA erst ab mindestens 3,5 m/s Jahresmittelwindgeschwindigkeit sinnvoll.



Mittels Online-Kartenmaterial ist eine erste Einschätzung der Jahresmittelwindgeschwindigkeit in m/s möglich. Hierfür kann die Windgeschwindigkeit in verschiedenen Höhen ermittelt werden. Verschiedene Karten sind dabei verfügbar:

Die Genauigkeit ist jedoch stark vom Kartenmaterial und dem Terrain abhängig. Speziell im komplexen Gelände (Gebirge) sind Angaben zur Jahresmittelwindgeschwindigkeit in niedrigen Höhen unter 50 m kritisch zu hinterfragen. Ist die Jahresmittelwindgeschwindigkeit in der gewünschten Höhe nicht verfügbar, kann mittels des logarithmischen Windprofils in die gewünschte Höhe umgerechnet werden. Für diese Umrechnung ist die Bodenrauhigkeit ein entscheidender Faktor. Diese wird durch die Rauhigkeitslänge z0 beschrieben, welche abhängig von der Orographie definiert wird.

Die Windverhältnisse eines Standorts sind großteils von der Orografie (Oberfläche) bestimmt. Einzelne Hindernisse verursachen starke Turbulenzen. Die Installation einer KWEA muss außerhalb turbulenter Bereiche erfolgen. Weiters, sollte eine KWEA am höchsten Punkt von sanften Hügeln oder Gebäuden platziert werden, um Strömungsabrisse und Verwirbelungen zu vermeiden. Ist es nicht möglich, dass die KWEA frei von Hindernissen steht, so sollte zumindest ein freies Anströmungsfeld in Hauptwindrichtung gewährleistet sein. Hindernisse verursachen Turbulenzen in einer Höhe, welche das Doppelte des Hindernisses betragen können. Des Weiteren können Turbulenzen noch weit hinter dem Hindernis auftreten. Diese können in einer Distanz hinter dem Hindernis auftreten, welche das 20-fache der Hindernishöhe betragen kann.

Aufbauend auf die Standortbewertung mittels Kartenmaterial sollte auch eine Windmessung durchgeführt werden. Die Messung sollte dabei über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr stattfinden, da sich die Wildverhältnisse über das Jahr deutlich verändern. Die wichtigsten Messwerte sind die Windgeschwindigkeit in m/s und die Windrichtung, welche in der Höhe des Rotormittelpunkts (Nabenhöhe) ermittelt werden sollen.

Ist der Standort in punkto mittlerer Windgeschwindigkeit (>3,5 m/s) passend und sind keine wesentlichen Hindernisse in Hauptwindrichtung vorhanden, kann aufbauend auf dem jährlichen Stromverbrauch eine Kleinwindkraftanlage ausgewählt werden. Steht die Wahl fest, sollte vor dem Kauf die Genehmigung gestartet werden, die im Idealfall von Hersteller*innen unterstützt wird. Das Genehmigungsverfahren von einer Kleinwindkraftanlage ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Die IG Windkraft bietet dabei mit ihrer Website www.kleinewindkraft.at eine Übersicht der Genehmigungsprozesse der einzelnen Bundesländer. Der erste Schritt ist jedoch in allen Bundesländern der Weg zur Bürgermeister*in bzw. in Wien zur MA64.

Aus bereits durchgeführten Genehmigungsverfahren für Kleinwindkraftanlagen hat sich ergeben, dass folgende Unterlagen von den Behörden gefordert werden:

  • Bauansuchen
  • Baubeschreibung
  • Einreichplan
  • Anlagenunterlagen: Schallgutachten (Von Ziviltechniker unterschrieben), Statikgutachten, Schattenwurfanaylse, WR-Konformitätserklärung, Elektrischer Schaltplan

Mittlerweile ist neben der Einspeisevergütung der OeMAG auch eine Investitionsförderung für Kleinwindkraftanlagen beantragbar. Diese startet jedoch erst ab einer installierten Leistung von 20 kW, was lediglich einen Bruchteil der am Markt verfügbaren Anlangen betrifft.

Weitere Informationen zu Förderungen für Windkraftanlagen finden Sie unter www.oem-ag.at

Im Zuge des Kleinwindkraftreports 2022 wurden fünf ausgewählte Betreiber*innen zu den Punkten Genehmigung, Betrieb, Ertrag und Konfliktpotential in der näheren Umgebung befragt. Bei den Anlagen der befragten Personen handelte es sich ausschließlich um horizontalachsige Kleinwindkraftanlagen im Leistungsbereich zwischen 300 W und 10 kW. Der Aufstellungsort ist in den meisten Fällen besiedeltes Gebiet im ländlichen Raum. Bei allen befragten Personen waren der Wunsch nach Energieautonomie, Interesse an der Technologie und die Ergänzung zu einer Photovoltaikanlage Kaufgründe. Das Windpotential wurde in allen fünf Fällen nicht durch eine Windmessung bestimmt, sondern wenn nur über Kartenmaterial abgeschätzt. Das Windpotential reicht daher an den Standorten von schlecht (ca. 2,5 m/s) bis gut mit bis zu 4 m/s im Jahresmittel. Durchgehend wurde ein Komplettsystem der Hersteller*innen verwendet, wobei die Genehmigung in den befragten Bundesländen Wien und Niederösterreich sehr unterschiedlich abgelaufen sind. Waren in Niederösterreich teilweise lediglich Bauanzeigen nötig, mussten in Wien umfangreichere Auflagen erfüllt werden. Darunter fällt eine Baubeschreibung, ein Einreichplan und Gutachten zu Schallemissionen, Schattenwurf, Vereisung, Blitzschutz und die elektrische Konformität des Wechselrichters. Die Dauer der Genehmigung hat sich dabei zwischen wenigen Wochen bis zu einem Jahr erstreckt. 

Aufgrund der Entfernung zu Anrainer*Innen, kam es bei den Befragten zu keinen Konflikten. Trotzdem gab es bei einem Nachbarn skeptische Fragen und die Befürchtung der Störung des Landschaftsbildes sowie der Belästigung durch Schall. Diese Befürchtungen haben sich in diesen Fällen nicht bewahrheitet. Die mittleren Kosten der angeschafften Anlagen bewegen sich zwischen 4.000 bis 6.000 €/kW installierter Leistung, was dem Durchschnitt der in Österreich erhältlichen Anlagen entspricht.

Im Betrieb lieferten laut Angaben der Betreiber*Innen die Anlagen zwischen ca. 120 und 7000 kWh. Die große Diskrepanz liegt an dem Leistungsbereich von 300 W bis 10 kW, weshalb die Volllaststunden eine größere Aussagekraft haben. Die Anlagen weisen alle zwischen 700 und 800 Volllaststunden auf, was für mittelmäßige Standorte spricht. Lediglich an einem Standort wurden weniger als 100 h ermittelt, was einem schlechten Standort entspricht. 

Es kam bei keinen der untersuchten Standorte, in einem Zeitraum ab 2010 bis 2022, zum Bruch der Anlagen. Kleinere Wartungen, wie der Wechsel eines Lagers wurden durchgeführt. In Bezug zu Lärm wurde keine Beeinträchtigung erwähnt, lediglich bei starkem Wind sind leichte Hubschraubergeräusche zu merken, die vom Wind meist übertönt werden. Diese wurden jedoch aufgrund des seltenen Vorkommens als nicht störend bewertet. In einem Fall wird die Anlage aufgrund des schlechten Windpotentials und der Insolvenz der Betreiberfirma wieder rückgebaut. Schlussfolgernd lässt sich zusammenfassen, dass ein Großteil der Betreiber*innen mit der Kleinwindkraftanlage zufrieden ist und sie würden zumindest wieder in den gleichen Typ von Kleinwindkraftanlage investieren.

Eine der großen Herausforderungen für die Kleinwindkraft sind der wirtschaftliche Betrieb und eine einheitliche Genehmigungsstruktur. Des Weiteren stellt die seriöse Beratung in Bezug auf möglichen erzielbaren Ertrag und Windpotential sowie eine Investitionsförderung, die bei geringer installierter Leistung (≥1 kW) einsetzt, ein wichtiges auszubauendes Kriterium dar. Sofern die Investitionsförderung auch auf Anlagen mit einer Leistung von weniger als 20 kW ausgeweitet wird und die Genehmigung vereinfacht/vereinheitlicht wird, kann mit einem Aufschwung des Kleinwindmarktes gerechnet werden. Zahlreiche Anfragen von Unternehmen und Privatpersonen, deren Ziel es ist die Energieautonomie zu steigern bestätigen diesen Trend. Dennoch wird die Kleinwindkraft nicht so breitflächig wie die PV einsetzbar sein. Bedingt durch ein sehr ungleich verteiltes Windpotential und starke Schwankungen je Standort ist die Anzahl an Anlagen limitiert.